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Die Wertstofftonne bringt keinen Fortschritt

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GfA-Chef Thomas König hält wenig davon, ein neues Holsystem zu installieren – stattdessen möchte er Geiselbullach langfristig als Energiestandort stärken

Quelle: Süddeutsche Zeitung Ausgabe Fürstenfeldbruck vom 13.02.2012, Interview: Stefan Salger

Fürstenfeldbruck – Nachdem sich Bund und Länder in der vergangene Woche grundsätzlich auf neue Regelungen in der Abfallwirtschaft geeinigt hatten, wird es wohl auch im Landkreis Fürstenfeldbruck eine neue Wertstofftonne geben. Sie soll dazu beitragen, dass weniger wertvolle Rohstoffe im Restmüll landen. Der Landkreis will sogar schon von Mitte 2013 an ein Holsystem für Kunststoffe einführen. Die SZ sprach mit dem Vorstand des Gemeinsamen Komunalunternehmen für Abfallwirtschaft der Landkreise Fürstenfeldbruck und Dachau (GfA), Thomas König, 53, der zuvor mehrere Recyclingunternehmen geleitet hat und seit 30 Jahren in der Branche tätig ist, über das Thema.

Herr König, was haben Sie denn gegen die Wertstofftonne, die spätestens von 2015 eingeführt werden soll?

Ich bin ein uneingeschränkter Befürworter des Recyclings und der Abfallvermeidung. Ich bin jedoch der Ansicht, dass eine getrennte Sammlung nur dort sinnvoll ist, wo auch das Recycling erfolgreich ist. Wir verfügen in Bayern über ein gutes System von Wertstoffhöfen, die eine hohe Qualität der gesammelten Wertstoffe gewährleisten. eine Wertstofftonne wird immer schlechtere Qualitäten liefern. Dadurch wird das System konterkariert. Eine zusätzliche Sammlung liefert hier keinen Zusatznutzen, sondern erzeugt lediglich höhere Kosten. Zudem erfolgt damit eine schleichende Restmüllentsorgung in diffuse Kanäle, weil in der Tonne nicht nur die erwünschten Wertstoffe landen werden. Diese Mengen werden der GfA und damit der Gebührenstabilität fehlen.

Herbert Britzelmair, der Leiter des Abfallwirtschaftsbetriebs, glaubt, dass mit einer solchen Tonne sieben Kilo pro Jahr und Einwohner an Kunststoff und Metall gesammelt werden können. Sie als Chef der GfA, die überwiegend dem Landkreis Fürstenfeldbruck gehört, bezweifeln die Zahl. Warum?

Die immer wieder genannten sieben Kilo sind das Potential, das in den bayerischen Restabfällen noch enthalten ist. Davon zu unterscheiden ist die Menge, die man durch Recyclingverfahren zu nachgefragten Qualitäten aufbereiten kann. Dies sind bestenfalls drei Kilogramm pro Einwohner und Jahr; ein Putzeimer. Wenn man berücksichtigt, dass davon 50% thermisch verwertet werden, dann darf man schon die Frage stellen, warum wir diesen Aufwand treiben sollen – zumal wir eine exzellente thermische Verwertungsanlage haben.

Ist es denn besser, wenn Wertstoffe im Restmüll landen und verbrannt werden?

Moderne Heizkraftwerke sind auch Recyclinganlagen. Metalle werden fast vollständig aus der Schlacke zurückgewonnen. Ich kann also nicht erkennen, dass dort nennenswerte stoffliche Verwertungspotentiale nicht ausgereizt würden. Durch die thermische Verwertung der Kunststoffe liefern wir Energie aus der Region für die Region. Und das erscheint mir sinnvoller, als diese Stoffe über lange Strecken zu transportieren, um sie dann andernorts vielleicht doch wieder zu verbrennen.

Wie wichtig ist Kunststoff als Brennstoff – auch angesichts der Tatsache, dass ein großer Teil der Wärme der Müllverbrennungsanlage doch ohnehin ungenutzt verpufft?

Wir bemühen uns um einen Ausbau der Wärmenutzung. Wir können heute schon Teile der Stadt Olching und große Teile der Gemeinde Bergkirchen mit Wärme beliefern. Auch die Stromgewinnung kann übrigens noch technisch verbessert werden. Ich glaube, dass es langfristig im Rahmen der Energiewende sinnvoller ist, den dezentralen Energiestandort Geiselbullach mit diesem Brennstoff zu stärken, statt ein uneffektives und kostenträchtiges Holsystem für ein paar Kilo zusätzlich zu installieren.

Inwieweit halten Sie eine Trennung durch den Einzelnen für sinnvoll und was könnte maschinell erfolgen?

Recyclingprodukte haben es schwer, die immer höheren Qualitätsansprüche zu erfüllen. Die Ausschussquoten im Recyclingprozess nehmen also immer weiter zu. Im Bereich der Haushaltsabfälle können ohnehin maximal 25 Prozent der Kunststoffe einer stofflichen Wiederverwertung zugeführt werden. eine maschinelle Trennung ist technisch zwar möglich, würde sich aber zurzeit nicht rechnen. Das bedeutet, dass insbesondere für die Kunststoffe, die durch ihre unterschiedliche Zusammensetzung nur in einem engen Spektrum stofflich verwertbar sind, meistens die thermische Verwertung die beste Form der Nutzung ist.

Ihnen wird vorgeworfen, Sie dächten nur an die Auslastung der Müllverbrennungsanlage. Unterm Strich wollen die Bürger die Umwelt schonen und möglichst geringe Abfallgebühren zahlen. Wie sieht denn ihr ganz persönlicher Königsweg aus?

Umweltschutz kostet Geld, das ist auch bei uns so. Ich bin weit davon entfernt, Aspekte wie Umweltschutz und Recycling der Auslastung der Müllverbrennungsanlage – sie liegt zurzeit bei 100%- unterzuordnen. Wenn aber die thermische Verwertung als sinnvoll angesehen wird, dann sollte man sie auch im Landkreis halten. Wir betreiben diese Art der Verwertung auf einem extrem hohen Niveau. Wenn eine Wertstofftonne installiert wird, dann wird auch ein Teil der bei uns verwerteten Restabfälle dem Zugriff des Landkreises entzogen. Die könnten dann wo anders und auch auf einem niedrigeren technischen Niveau entsorgt werden. Ich glaube jedoch, dass die Bürger der beiden Trägerlandkreise eine Entsorgung auf technisch hohem Niveau befürworten. Übrigens machen Kunststoffe lediglich vier bis fünf Prozent des Abfalls aus – das sind verschwindend geringe Mengen. Es ist also nicht so, dass ich gegen die Tonne bin, weil wir auf diesen kleinen Anteil angewiesen wären. Ein Verzicht auf die Kunststoffe würde uns nicht weiter schaden. Die Gefahr liegt eher darin, dass uns thermisch verwertbarer Restabfall entzogen wird.

Braucht man also die Wertstofftonne überhaupt nicht?

Bayern ist anders aufgestellt als andere Bundesländer und hat ein gut funktionierendes System von Wertstoffhöfen, zu dem sich auch die Landesregierung klar bekennt. Das nutzt auch den privaten Entsorgungsfirmen, die diese Wertstoffe verarbeiten. Wird in der Folge des vom Bund erlassenen neuen Kreislaufwirtschaftsgesetzes nun die Wertstofftonne eingeführt, dann wird auch weniger Material auf den Wertstoffhöfen landen. Stattdessen steigt durch das Holsystem der Aufwand für die Nachsortierung. Ich sehe also weder technisch noch aus Umweltschutzgründen eine Erfordernis für ein derartiges Holsystem in Bayern.

Es besteht ja keine Verpflichtung, die Wertstofftonne zu nutzen.

Man kann den Bürgern schon zutrauen, sinnvolle Entscheidungen zu treffen. Und zu erkennen, dass allein die getrennte Sammlung noch keinen Nutzen für die Umwelt bringt. Statt nur die Sammelquoten zu betrachten, sollte man auf die realen Recyclingquoten schauen. Dann wird sich zeigen, dass die Wertstofftonne keinen Fortschritt gegenüber den bewährten Systemen bringt. Mein Rat ist definitiv, sie nicht zu bestellen.

Ist auch das System des Grünen Punkts, das von den Konsumenten über Aufschläge auf den Kaufpreis finanziert wird, und die Umverpackungen einer Wiederverwertung zuführen soll, überhaupt noch sinnvoll?

Die Verpackungsverordnung wurde Ende der achtziger Jahre vom damaligen Umweltminister Klaus Töpfer erlassen, aus Angst, dass die Deponien angesichts des veränderten Konsumverhaltens nicht ausreichen könnten. Die Umstände haben sich aber geändert, Deponien wurden geschlossen. An ihre Stelle ist die thermische Verwertung auf höchstem Niveau getreten, mit der auch die gut brennbaren Kunststoffe in Energie umgewandelt werden können. Die getrennte Sammlung Glas, Papier, Holz, und Textilien hat sich dann auch ohne den grünenPunkt über viele Jahrzehnte bewährt.

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2012-02-13 SZ FFB